Leben mit Silber
„Komm schenk noch mal ein“, wer kennt es nicht, das Lied von Udo Jürgens vom „Griechischen Wein“. Inspiriert wohl von einer Reise, einem Abend in der Taverne am Meer, in Gesellschaft von Bauern und Fischern einer Insel in der Ägäis. Auch ich hatte das Glück, die griechischen Inseln mit dem Segelboot meines Vaters, damals noch weit entfernt von Massentourismus, besuchen zu können. Und auch ich erinnere mich an laue Sommernächte in weiß getünchten Tavernen mit den blauen Holzstühlen, herzlich willkommen als eine der seltenen, ausländischen Gäste und wie wir mit den Einheimischen Musik und Wein genossen. Zurück in Deutschland hatte ich wenig Freude an dem mitgebrachten Redsina (griechischer, geharzter Weißwein), nicht nur, dass er nicht schmeckte, ich fragte mich, wie ich so etwas überhaupt habe trinken können. Dies ist ein gutes Beispiel, wie sehr Geschmack, Genuss und Wohlbefinden von Stimmungen, Umgebung, dem ganzen Drumherum abhängig sind. Ein simpler Kartoffelsalat, an einer schön gedeckten Tafel mit Silber und Kerzenlicht, begleitet von edlem Wein und guten Gesprächen, erschein uns als Delikatesse. So nebenbei aus der Plastikschale gelöffelt – nun ja, der Hunger treib´s rein. Ein Grund, warum ich, nicht nur bei Gästen, viel Liebe in das Decken des Tisches stecke. Dazu gehören sehr oft auch Silberbecher, elegante Wein- und Wasserkaraffen mit Silbermontierungen und Silberuntersetzter sowieso.
Ja, ich bin Weintrinker. Es muss nicht immer der teuerste Wein sein, aber es muss für mich immer der Silberbecher sein. Schon früh habe ich den unvergleichlichen Genuss eines Kaltgetränkes aus einem Silberbechers (auch eines Humpens) für mich entdeckt. Der Becher liegt schwer und kühl in der Hand, das Getränk behält die gewünschte Temperatur Bei sehr kalten Getränken bildet sich ein leicht feuchter Beschlag auf der Wandung, was sehr erfrischend sein kann, besonders in der heißen Jahreszeit. Und während Gläser im Set austauschbar sind, für jeden das Gleiche, ist mein Silberbecher ein ganz persönliches Stück.
Der Becher ist der einfachste und am weitesten verbreitete Gegenstand aus Edelmetall. Man kennt ihn schon in der Antike, seine Form, bedingt durch die Aufnahme von Flüssigkeit, hat keine wesentliche Veränderungen erfahren. Dennoch bekam er im Laufe der Epochen viele Varianten und eine schier unbegrenzte Vielfalt an Dekoren und Verzierungen. Da Becher dank ihres hohen Gebrauchswerts und der geringen Größe und damit Gewichts wesentlich seltener dem Schmelzofen zum Opfer fielen als große Prunkstücke, haben wir das Glück, auch heute noch, sehr verschiedene Becher aus allen Epochen in Vielzahl zu finden.
Andere Zeiten, die gleiche Idee: Rechts eine Darstellung eines Mannes, der
aus einer Tazza trinkt ( Aussschnitt aus einem Gemälde von Dirk Hals ,1591-1657
London, The National Gallery), links ein Paar Champagnerschalen,
Paris um 1920
Die Beliebtheit von Trinkgefäßen aus Silber oder Gold beruhte nicht zuletzt auf den antibakteriellen Eigenschaften der Edelmetalle. So schütze das Tafelsilber einst Könige und Fürsten und auch meine Urgroßmutter legte noch eine Silbermünze in den Krug, um die Milch keimfrei zu halten. Die Sorge vor Infektionen erklärt auch, warum bis in die frühe Neuzeit, Wein, Bier und andere Alkohol haltige Getränke dem Wasser vorgezogen wurden, da dieses oft mit Krankheitserregern kontaminiert war. Der Adel trank, seinem Rang angemessen, Wein, das „Volk“, Priester, Bürger und Bauern tranken Bier, das nicht nur Getränkt war. Das „flüssige Brot“ wurde in Europa ein wichtiger Bestandteil der Ernährung für Mann, Frau und Kind.
Noch im 14. bis 16. Jahrhundert verbreiteten sich Silberbecher vor allem in nordischen Ländern, in denen mehr Bier getrunken wurde, der Süden bevorzugte Trinkgläser. Erst ahmten die Gläser die Formen der Metallbecher nach, ab dem 17. Jahrhundert kehrte es sich um – die graziösen Formen geblasener und teils aufwändig geschliffener Gläser standen nun Pate für die Silberexemplare.
Besondere Becher, wie zum Beispiel der hier gezeigte Schlangenhautbecher mit Wappengravur wurden oft als Einzelstücke gefertigt, schlichtere Becher in Serien von 2 bis 20 und mehr geordert, um die Tafeln des Adels und des betuchten Bürgertums zu schmücken. Der Wappenbecher wurde in Augsburg in der Zeit 1670 – 1674 von dem Silberschmied Johann Seutter gefertigt, das aufwändige Ritterwappen gehört zu der Familie von Seckendorff, ein fränkisches Adelsgeschlecht, das bereits 1254 Erwähnung findet. Der schlichte Schlangenhautbecher daneben wurde ebenfalls in Augsburg gearbeitet. Der Goldschmied Paul Solanier, der als einer der besten Bechermacher seiner Zeit galt, schuf diesen Becher zwischen 1684 und 1689. Auf dem Tablett stehen zusammen mit der Weinkanne aus London von 1881 fünf Augsburger Becher, drei aus dem 17. Jahrhundert und zwei, ein Paar, aus dem 20. Jahrhundert, eine perfekte Hommage an die frühen Barockbecher. Alle Fünf zusammen auf einer Tafel sehen grandios aus und die Gäste ohne „Silberverstand“ werden den Unterschied nicht sehen. An dieser Stelle sei auch auf das gleichermaßen Schöne, wie Praktische und Nützliche eines Silbertabletts hingewiesen, auf dem Gläser, wie Silberbecher edel serviert werden.
Der Humpen entwickelte sich aus dem zylindrischen Becher und wurde im 16. Jahrhundert in den germanischen Ländern als Trinkgefäß für warmes Bier erfunden. Das Bier war zu dieser Zeit ein Warmgetränk – andere Heißgetränke wie Kaffee, Tee und Schokolade waren noch unbekannt. In Ländern, die Wein bevorzugten, wie Frankreich, Italien, Spanien und Portugal suchen wir Humpen und die kleinere Form, den Schoppen, vergebens. Dafür finden wir in den angelsächsischen Ländern Exemplare in vielen Varianten und Ausführungen. Die Grundform des Humpens ist immer gleich. Er ist zylindrisch oder leicht nach unten geweitet, hat einen Deckel mit Daumenrast und immer einen Henkel. Sehr große, hohe Humpen können sowohl Trink- als auch Schenkgefäß sein. Mit der Verbreitung von Tee, Kaffee und Schokolade verlieren die Humpen im 18. Jahrhundert an Bedeutung, verschwinden jedoch nicht. Zierliche Humpen oder Schoppen, die vornehmlich in Süddeutschland und der Schweiz gefertigt wurden, waren eher für die Damen gedacht. Wie die Bouillonschüssel (Wöchnerinnenschüssel), war auch er oft ein Geschenk des Ehemannes an seine Frau zur Geburt des ersten Kindes. (Hintergrund: Die Annahme, das Bier den Milchfluss fördere). Die großen Humpen im Norden und in England, hier nennt man sie „Tankards“, waren den Männern vorbehalten. Ein typisches Beispiel mit 20 Zentimetern Höhe, 700 Gramm Gewicht und einem Inhalt von 0,7 Litern ist der Georg III Tankard aus London von 1782 im Warenangebot - eine ganz wunderbare Silberschmiedearbeit.
Aus dem Rahmen gefallen ist hingegen der Humpen aus Moskau von 1895, den Sie in der Mitte des großen Bildes sehen. Die Form ist klassisch, das Dekor jedoch ganz ungewöhnlich. Der vergoldete Humpen ist rundum reich graviert, eine sehr seltene Dekortechnik für Deckelhumpen, sieht man mal von den Wappen und Monogrammen ab. Sie zeigt Bauer und Bäuerin bei der Getreideernte, umgeben von einer Sommerlandschaft mit Vögeln, Schmetterlingen und Blumen. In der Mitte der Wandung und auf dem Deckel sehen wir jeweils eine große Kartusche. Die Deckelkartusche trägt ein Monogramm und die Datierung „Batoum 10/22 nd. April 1896“. Batoum ist der alte russische Name für die Hafenstadt Batumi am Schwarzen Meer, heute zu Georgien gehörig. Die Gestaltung der Gravuren ist typisch für den russischen Jugendstil, der eine ganz eigene Ausdrucksform hat und sich doch sehr vom deutschen und französischem Jugendstil unterscheidet.
Schenk- oder Weinkannen aus Edelmetall sind uns seit dem Mittelalter bekannt. Zu dieser Zeit bis ins 19. Jahrhundert hinein, waren Sie ausschließlich ganz aus Silber gefertigt, ähnlich den Wasserkannen mit den oft dazugehörigen Schüsseln, die für das Händewaschen bei Tisch eingesetzt wurden. Ab ca. 1840 entwickelte sich ein neuer Typ von Kannen und Karaffen: Glas mit Silbermontierungen. Besonders aus der Jugendstilzeit sind uns viele interessante und hoch dekorative Beispiele erhalten geblieben. Die großen Kannen, die in der Regel rund 1 Liter fassen, sind sowohl als Wasser, Wein oder Saftkannen geeignet. Wenn Sie eine selbstgemachte Limonade, ob nun mit Zitronen oder anderen ganzen Früchten zubereiten, sollte die Kanne eine große Öffnung haben, ganz so wie die Jugendstilkanne von der renommierten Silbermanufaktur Peter Bruckmann & Söhne aus Heilbronn, im großen Bild rechts. Kannen mit schmalen Hals sind für Wein oder Wasser besser geeignet.
Von links nach rechts: 1. Silberkanne Sheffield 1900, 2.Jugendstilkanne Glas mit Silbermontierung Heilbronn um 1900, 3. Schenkkanne Glasgow 1863,
4. Weinkanne Glas mit Silbermontierung London 1881
Sie möchten den Wein lieber in der Originalflasche lassen - dann bietet sich ein eleganter Weinuntersetzer an. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts sind spezielle Weinuntersetzer nicht bekannt. Erst ab 1760 tauchen die ersten „Wine Coasters“, wie sie bei den Engländern heißen (und inzwischen auch eingedeutscht sind) auf, runde Ständer, vielfach mit einem Holzboden und einer durchbrochenen Wandung, wie wir sie von englischen Zucker- und Gebäckkörbchen kennen. Sie wurden meist als Paar gearbeitet, selten als Set von Vier. Gut erhaltene Wine Coasters sind selten und die Engländer zahlen horrende Summen für diese Lieblingsstücke, vor allem, wenn sie noch als Paar vorhanden sind. In den deutschsprachigen Ländern wurden Ende des 19. Jahrhunderts flache Teller, mit Stellfläche und verziertem Rand populär.
Von links nach rechts: 1. Jugendstil-Weinuntersetzter Heilbronn um 1900, 2. Paar seltene Wine Coasters Sheffield 1839,
3. Art déco - Weinuntersetzter Bremen um 1930
Zuletzt möchte ich noch ein Trinkgefäß erwähnen, das in der Regel aus Porzellan hergestellt wird: Die Tee - und Kaffeetasse. Als im 17. Jahrhundert, der Tee und etwas später der Kaffee nach Europa kam, eroberte letzterer bald - und wesentlich schneller als der Tee - die Herzen, besonders die der Damen. Um 1665 war er das Modegetränk in den Pariser Salons und verdrängte den Tee fast völlig aus der Gunst der wohlhabenden Großstädter. Auch London war begeistert und Kaffee das bevorzugte Heißgetränk- bis die Teepreise Anfang des 18. Jahrhundert sanken und die Engländer zum Tee wechselten und ihn zum nationalen Getränk erhoben. Wie gesagt, die Tassen waren üblicherweise aus Porzellan. Hin und wieder aber wagte sich ein Silberschmied an dieses Objekt und so entstanden kleine Kostbarkeiten mit aufwändigen Verzierungen und Dekoren, die oft als wertvolles Geschenk dienten. Die hier gezeigte Silbertasse mit passendem Unterteller und einem wunderschönen Löffel dazu, stammt, durchaus selten, aus Russland, aus St. Petersburg von 1858. Alle Teile sind reich graviert und vergoldet. In der Tasse befindet sich ein „Affogato al caffè", ein Espresso mit Vanilleeis – von mir erst kürzlich entdeckt und inzwischen heiß geliebt. Ein "komm, schenk noch mal ein " passt hier nicht so ganz, ein „bitte, noch mal das Gleiche“ aber sehr wohl. Na dann: Auf Ihre Gesundheit, Zum Wohl, Prost, Cheers, Santé, Salute und Skal.