Silbersuite

Marken, Meister, Techniken

Augsburger Silbermarken: Beschauzeichen"Pyr" und Meistermarken

Das Beschauzeichen der Stadt Augsburg, der "Pyr", die Zirbelnuss ist wohl eine der berühmtesten Marken auf altem, deutschem Silber. Der "Pyr "schmückt auch das Augsburger Stadtwappen, von hier wurde es für das Beschauzeichen übernommen. Überall begegnet man auch heute der Zirbelnuss in Augsburg, sie zieren historische Bauten in der Altstadt und auf den Gibelspitzen des Augsburger Rathauses sitzen große, kupferne Zirbelmüsse. Der Pinienzapfen ist als römische Schmuckform bekannt und sybolisiert Fruchtbarkeit und Unsterblichkeit. Seit 1237 ist die Zirbelnuss auch als Motiv des Stadtsiegels belegt.

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Vor der Punzierungsordnung von 1529 wurde das Silber wohl in Barrenform beschaut. Derjenige, der es gebrannt hatte, musste es mit seinem Zeichen versehen, der Münzmeister nahm die Silberprobe und schlug die Stadtmarke ein. Ab 1529 wurde die Feingehaltsprobe dann direkt am fertigen Gegenstand vorgenommen. Die Ordnung schrieb vor, jede Arbeit ab 3 Lot (1 Lot entspricht ca. 14,6 Gramm) vom Goldschmied mit seinem Zeichen zu versehen. Der Geschaumeister überprüfte den vorgeschriebenen Silberfeingehalt mittels einer Silberprobe - dem Tremulierstrich - und schlug dann die Stadtmarke als Zeichen der Garantie für den Silberfeingehalt ein. War in den Anfangszeichen noch ein Feingehalt von ca. 14 Lot ( entspricht 875/1000) verlangt, beschloss der Rat der Stadt bald, dass kleine und große Arbeiten den gleichen Feingehalt haben müssten und setzten für alles Silber ohne Unterschied den Feingehalt von 13 Lot (entspricht 812,5/1000) fest.

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So dokumentiert das Beschauzeichen, der Pyr, nicht nur die Stadt Augsburg als Herstellungsort, sondern beinhaltet auch die Silbergarantie von 13 Lot.

Der Silberfeingehalt wurde streng kontrolliert, die Arbeiten, die nicht diesem Standard entsprachen, mussten zur Qualitätssicherung eingeschmolzen werden. Prominentes Beispiel: Johann Heinrich Mannlich fertigte 1713 kunstvoll und sehr aufwändig einen Silberaltar, der unter anderem den Kurfürsten Johann Wilhelm als "Heiligen Hubertus" lebensgroß darstellte. Die strenge Kontrolle des Geschaumeisters bescheinigte einen zu niedrigen Silberfeingehalt, das Kunstwerk musste eingeschmolzen werden.

Abweichungen von dieser 13 Lot - Vorschrift, die es durchaus gab, bedurften der Genehmigung des Rates - und erhielten dann auch keinen "Pyr" als Beschauzeichen! Die Prüfung des Feingehaltes oblag in diesem Fall auch nicht dem Geschaumeister, sondern wurde hier vom Münzmeister vorgenommen. Die Teile bekamen andere Garantiezeichen, wie "Französisch Silber" (Feingehalt ca. 14 ½ Lot) den Stempel "14:2:2" (entspricht 914/1000), die Punze "14" oder "15" für 14 Lot oder 15 Lot.

Franzoesich-Silber

14-2-2

14-15
Ein Silberobjekt, dass neben dem Beschauzeichen ein zusätzliches Silbergarantiezeichen in Form der Zahl 13 oder auch höher trägt, ist entweder eine Verwechslung mit einem anderen Stadtzeichen (siehe unten) oder eine Fälschung (sieht man ab und zu auf Flohmärkten).

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Hier ein Beispiel für eine Fehlzuschreibung eines Auktionshauses,
das diesen Korb als ein Augsburger Silberobjekt anbot.

Von 1529 bis 1734 gibt es den "Pyr" in vielen Varianten mit oft nur minimalen Unterschieden, was das Lesen der manchmal verschlagenen oder verputzen Marken und damit die Bestimmung der Zeit recht schwierig macht. In diesen Fällen braucht man die Lebensdaten des Meisters hinter der Meistermarke - ab wann und wie lange war der Silberschmied Meister - um sie mit dem Beschauzeichen zeitlich in Übereistimmung zu bringen. Das Werk dann mit "Augsburg um....." zu beschreiben, ist üblich und korrekt.

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Augsburg 1679-1683
Meister Wolfgang II Jun

         Augsburg 1705-1706          
Meister (Johann) Daniel Schäffle

Augsburg 1729-1733
Meister Esaias Busch III

Ab 1734 wurde der "Pyr" erstmals mit einem Buchstaben des Alphabetes kombiniert, was die Erkennung und Zuordnung nun wesentlich erleichtert. Es gibt vier Alphabete von A-Z mit Ausnahme des J, das fünfte Alphabet endet mit dem Buchstaben D für 1868. 

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Augsburg 1785-1787
Meister Jakob Trana

Augsburg 1803-1804
Meister Johann Jakob Graber

Augsburg 1821
Meister Georg Christin Neuss

Es gab zwei gemeinsam amtierende Geschaumeister, die vom Rat bestimmt und unter Eid gestellt wurden. 1588 wurde die Amtszeit auf vier Jahre beschränkt und festgesetzt das sich der erste und zweite Geschaumeister jeweils um zwei Jahre zu überschneiden haben. In der Ordnung gibt es keinen Hinweis darauf, wie lange eine Beschaupunze verwendet werden durfte. Man weiß jedoch, dass im Jahr 1740 der Rat verfügte, dass bei jedem Amtswechsel die letzte Beschaupunze zu vernichten und ein neuer Stempel anzufertigen sei. Dieser müsse sich durch Buchstaben, Ziffern oder andere Veränderungen vom vorherigen unterscheiden. So finden wir im Verzeichnis der Beschauzeichen Stempel, denen 2 bis 10 Jahre der Verwendung zugeschrieben werden. Diese Zeitspannen verringern sich ab ca. 1700 ca. 5 Jahre und pendeln sich spätestens seit Einführung des Alphabetes 1734 bei durchschnittlich 1-3 Jahren ein.

MZ-IFDie Augsburger Meistermarken sind in der Überzahl die Anfangsbuchstaben von Vor- und Nachmamen der Silberschmiede. Aber man muss genau hinschauen, denn es gibt etliche Silberschmiede, die mit den gleichen Initialen punziert haben. Es sind kleine Unterschiede in Schreibform oder Umrandung, die völlig andere Ergebnisse zeigen. Beispiel IF: Joachim Fries - Meister 1610, Isaak Fischer - Meister 1679 Johann Jakob Frings - Meister 1694, Jeremias Friedel - Meister 1729, Mathias Leopold Joseph Fröhlich - Meister 1768, usw. Daneben gibt es Symbole als Meistermarken, Tiere, Pflanzen, Geräte, Zepter, Kreuze etc. Frühe Marken waren oft Fantasiezeichen, die sogenannten Hausmarken. Wenige Meister schrieben den Namen ganz aus, in Druckbuchstaben oder als Signatur.

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 Vogel im Oval als MZ für
Joseph Herterich
Augsburg 1686

Blütenzweig als MZ für
Peter Christian Roser
Augsburg 1763-1765

Sichel als MZ für
Johann Gottlieb II Herbst
Augsburg 1725-1729

 

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 "Hausmarke" MZ Johann II Beckert
Augsburg 1655-1660

MZ Johann Georg Kröner
Augsburg 1823

 MZ Franz Carl I Schmedding
Augsburg 1841

 

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Große Bedeutung
für den internationalen Rang der Augsburger Silberschmiede hatten die Silberhändler, die schon im 16. Jahrhundert für Aufträge sorgten und im 17. und 18. Jahrhundert Garanten für weltliche und kirchliche Großaufträge aus ganz Europa waren. Der einfache Augsburger Goldschmied konnte schwerlich mit den großen Höfen Deutschlands und Europas in direkten Kontakt treten. Die Silberhändler, meist selber Goldeschmiede, trafen auf den großen Messen die Abgesandten der Fürstenhäuser, verhandelten die Verträge, vergaben die Aufträge an verschiedene Betriebe, koordinierten und überwachten die Arbeiten bis zur Ablieferung an die Auftraggeber. Manche Silberhändler versahen die Silberobjekte, die sie fertigen ließen und verkauften mit einem eigenen Stempel. Und so finden wir - für manche verwirrend - zwei vermeintliche Meistermarken auf den Objekten: Das eigentliche Meisterzeichen des herstellenden Silberschmiedes und den Händlerstempel. Der Bierkrug mit dem Papagei-Deckel wurde 1824 (Beschauzeichen mit dem Buchstaben K aus dem 3. Alphabet) von Friedrich Ernst Dassdorf (Meisterzeichen FD im Viereck) gefertigt und vom Silberhändler Johann Alois Seethaler verkauft (Händlermarke SEETHALER). Sehen Sie dazu auch den Artikel "Eine Klasse für sich: Augsburger Silber"

Zu verdanken haben wir dieses Wissen den vielen Historikern und Kunsthistorikern, die sich jahrzehntelang mit diesem Gebieb beschäftigt haben. Ganz besonders  jedoch Helmut Seling, der seine akribischen Forschungen - unterstützt durch Kollegen, Mitarbeitern und Museen, in d e m Standardwerk für Augsburger Silber zusammenfasste und in den drei Bänden "Die Kunst der Augsburger Goldschmiede 1529-1868" veröffentlichte. Den 1980 erschienenen Büchern folgte 1994 das "Supplement" zu Band III, in dem er Marken, nach neusten Erkenntnissen korrigierte oder hinzufügte. Im Jahr 2007 folgte der 5. Band "Die Augsburger Gold- und Silberschmiede 1529-1868", mit überarbeiteten und neuen Marken. Für alle Silberfachleute und Sammler von Augsburger Silber, ein unschätzbar wertvolles Nachschlagewerk. Es gibt wohl kaum eine Stadt, deren Silbermarken besser und umfangreicher dokumentiert wurden. So wird Helmut Seling in Insiderkreisen gerne bewundernd " Der Augsburger Silberpapst" genannt. Während im neusten Band von 2007  Beschauzeichen und Meistermarken in natura, also von Originalteilen abfotografiert, gezeigt werden, sind in Band III von 1980 die Marken als Zeichnungen dargestellt. In beiden Bänden wurden die Beschauzeichen chronologisch zeitlich durchnummeriert, die Meisterzeichen sind den dazugehörigen Namen der Silberschiede zugeordnet und mit den Lebensdaten und, sofern bekannt, ihren Werken aufgeführt. Wir sprechen hier von über 2700 Marken! Eine Herkulesaufgabe und eine Leistung, die man gar nicht hoch genug bewerten kann.

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Kein großes Auktionshaus, kein Silberhändlers in seiner Expertise, die nicht auf dieses Werk in ihren Beschreibungen verweisen. Und so lesen Sie auch in der Silbersuite im Warenangebot die entsprechende Zuordnung:

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Augsburg 1795-1797

Besteckasten

Besteck für 6 Personen - 18 Teile
Silber 13 Lot
Oberteile Messer und Gabeln Stahl
Meister Lukas Römer Mstr. ab 1780
Seling Nr. 279 und Nr. 2576
Längen 21 cm -24,5 cm

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 Das Meisterzeichen LR von Lukas Römer auf dem Löffel des Besteckes

 im Original, dazu der Eintrag von Helmut Seling Band III Nr. 2576

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Wie das "Supplement" und der Band von 2007 zeigen und auch Helmut Seling selbst in seinem Vorwort schreibt, gibt es immer wieder neue Erkenntnisse, die Korrekturen und Erweiterungen nötig werden lassen und ja, auch nach wie vor "weiße Flecken" bei den Augsburger Marken.


1868 kam mit der Aufhebung der Zünfte und der Einführung der Gewerbefreiheit durch König Ludwig II., das Ende für den berühmten "Pyr", das Augsburger Beschauzeichen wurde in diesem Jahr das letzte Mal auf ein Siberobjekt geschlagen.

 

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