Leben mit Silber
Flowers Forever - Blumen aus Silber
Flowers forever – so könnte gut mein Wohlfühlmotto für Haus und Garten heißen – alles blüht, draußen, wie drinnen. „Flowers Forever“ ist hier aber der Titel einer besonders sehenswerten Ausstellung, die zurzeit in der Kunsthalle München gezeigt wird, mich begeisterte und zu diesem Magazin inspirierte. Sie beleuchtet Blumen in Kunst und Kultur: Von der Antike bis in die Moderne, von Brueghel bis Banksy, wissenschaftlich und politisch, die Rolle in der Kirche und der Mode, als Symbol und als Ware, auf Leinwand und als Installation, aus Glas, Porzellan und natürlich auch Silber – was für ein interessantes und zudem lehrreiches Bouquet. Wieder zu Hause nahm ich, wohl erstmalig so richtig bewusst wahr, was bei mir in der Wohnung so alles grünt und blüht: Bilder, Sessel, Zierkissen, Teppiche, sogar Möbel, Geschirr, Tisch – und Bettwäsche, etliches an Silber und der obligatorische frische Blumenstrauß auf dem Tisch. Sieh an! Bei der Sichtung meiner neuen Ware für die Silbersuite, die ich für ganz unterschiedliche, kommende Themen gesammelt und schon zugeteilt hatte, fiel mir jetzt auf, wie viel Silber mit Blumen sich darunter befand. So beschloss ich ein Blumenspezial zusammenzustellen und präsentiere Ihnen hier „immer blühende Blumen“ auf Silber von Ende des 18. Jahrhunderts bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Flowers forever!
Impressionen aus der Ausstellung: 1. Süddeutsche Kirchenarbeit „Jesus im Paradiesgarten“ (Detail, Gold- und Silberdraht mit Perlen) 18. Jahrhundert.
2. Cover des Kataloges. 3. Ann Carrington "Madame Moulliere" von 2021 (gefertigt aus Besteck und Nägeln). 4. Fritz von Miller Tafelaufsatz
"Die Sage" (Detail) um 1908. 5. Thomas II Stör, Tulpenpokal Nürnberg 1647/1651.
Blumendarstellungen gab es schon im Alten Ägypten, und auch in der mittelalterlichen Kunst. in Europa. Hier allerdings immer im Kontext mit anderen Motiven, als Umrandung und Ausschmückung für Herrscherportraits oder historische und religiöse Darstellungen (auch beim Silber). Auftraggeber waren der Adel und die Kirche. Auch gab es schon früh einen kommerziellen Anbau von Blumen für die Herstellung von Duftessenzen und Medizin. Somit kam neben dem ästhetischen Aspekt, den Blumen auch ein politischer und ebenso ein wirtschaftlicher Wert zu, der mit der „Tulpenmanie“ im „Golden Zeitalter“ der Niederlande (ca. 1550 bis 1637) im 17. Jahrhundert seinen Höhepunkt fand. Blumen, die Tulpe, wurde zum teuren Spekulationsobjekt. Gleichzeitig inspirierte es die bildende Kunst zu ihren berühmten Blumenstilleben, die nun vermehrt vom wohlhabenden Bürgertum nachgefragt wurden. Interessant ist, dass diese üppigen Bouquets anhand von Zeichenvorlagen einzelner Blumen komponiert wurden und so Arrangements entstanden, die von Blütezeit und Verfügbarkeit in Wirklichkeit nie hätten zusammengestellt werden können. Das Kunsthandwerk folgte wie immer dem Trend der Kunst und so wurden Pflanzen im allgemeinen und Blüten im Besondern gerade in der Renaissance- und Barockepoche von Gold – und Silberschmieden oft und gerne als vielseitige Zierelemente verwendet, wobei die botanische Korrektheit auch hier zweitrangig war. Die Tulpe als Form und Motiv zeigt die Bedeutung dieser aus Persien stammenden, in den Niederlanden als Kostbarkeit gehandelten, und im Rest von Europa wertgeschätzten Blume.
„Tulpensilber“ aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts aus Augsburg, Jena und Florenz (verkaufte Objekte der Silbersuite).
Ein so beschriebenes Fantasiebouquet, hier ein Gemälde des deutsch-niederländischen Malers Abraham Mignon von 1665 bildet den Hintergrund für den seltenen Augsburger Cachepot von 1810. Der Blumenübertopf steht auf drei hohen, geschwungenen Beinen, die ganz dem Empirestil entsprechend, von geflügelten Sphinxen geschmückt werden. Der "Topf" ist eine feine Durchbrucharbeit mit Blättern und Knospen, die ich als Tulpen identifiziere. Der Einsatz dazu wurde aus vergoldetem Kupfer gefertigt. Auf dem großen Bild sehen sie ihn mit einem Blumengesteck, im Warenangebot als Übertopf für eine Orchidee – beides ist möglich und beides ist schön.
Seit der Antike hat jede Kunstepoche ihren bevorzugten Blumenschmuck für Kunst und Kunsthandwerk, was nicht zuletzt auch eine Frage der Symbolik ist, die den Pflanzen und Blumen zugeschrieben wurden. Wir sehen Lorbeerfriese und Rosengirlanden, Weinranken und Akanthusblätter, Lotusblumen und „bunte“ Blumenkränze, Narzissen und Tulpen - bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Dann, um 1900, kam beinahe über Nacht, ein neuer, moderner Stil auf, der Kunst, Architektur und Kunstgewerbe revolutionierte und (nicht nur) dem Silber eine völlig neue Blumensprache schenkte: Das „Art Nouveau“, der Jugendstil. (Sehen Sie dazu auch den Magazinartikel „Die Blumen des Jugendstils"). Hier spielen großblättrige Blüten, exotische Blumen und unscheinbare Wiesenblüher eine hinreißende Hauptrolle. Keine Stilpoche hat, sehen wir mal von den barocken Tulpenmotiven des 17. und 18. Jahrhunderts ab, so spektakuläre Blumen auf das Silber gezaubert, wie der Jugendstil.
Ziemlich genau 100 Jahre später als der Augsburger Cachepot, entstand das Wiener Jugendstiltablett mit der „Riesenblume“, eine aufgeblühte Magnolie mit einer Knospe Auch weniger „elegante“ Pflanzen haben in dieser Zeit einen großen Auftritt, wie das Tablett von Wilkens mit der aparten Distel dekorativ zeigt (im Warenangebot). Einflüsse der japanischen Kunst bereicherten die westlichen „Art Nouveau“- Objekte mit Motiven von exotischem Bambus, prächtigen Chrysanthemen oder zarten Kirschblüten. Ein Import direkt aus Japan, ist der außergewöhnliche Untersetzer mit Silberüberfang mit Kirschblüten, den Sie unten links auf dem Bild sehen.
Ich schreibe bewusst Überfang, anstatt des Overlays, wie wir es von den beliebten Glas/Silberuntersetzern aus den USA kennen, bei denen das Silber galvanisch fest mit dem durchsichtigen Glas verbunden wird. Bei diesem Untersetzer der Firma Asahi Shoten aus den 30er Jahren ist das Glas schwarz und hochglanzpoliert, der relativ dicke Silberüberfang, eigenständig und lose über die Glasplatte gespannt. Mal ein etwas anderes „Overlay-Objekt“. Daneben steht eine Vase aus Paris um 1890. Die Kugelvase aus Weichporzellan mit gefleckter Glasur stammt von der Manufaktur Sévres, die vergoldete Silbermontierung mit den naturgetreu nachempfundenen Schwertlilien (Iris), einer der Lieblingsblumen des Jugendstils, wurde von dem Pariser Silberschmied Victor Saglier angefertigt. Schnittblumen und speziell arrangierte Sträuße in einer Vase oder einem Tafelaufsatz in die Wohnung zu stellen, kam erst im 17. Jahrhundert auf. Veränderte Essgewohnheiten, bei denen die Gerichte einzeln auf Tellern serviert wurden, machten zudem Platz auf der Tafel für prächtigen Blumenschmuck. Davor wurde das Zuhause mit Kränzen und Girlanden, auch aus getrockneten Blumen geschmückt. Die Tulpen im Cachepot und in der Vase stammen übrigens aus eigenem Garten und werden nun schon seit Wochen „geerntet“ und erfreuen Auge und Herz.
Das die Tulpe auch rund 300 Jahre nach ihrer „großen Zeit“ Silberschmiede immer noch begeistern und inspirieren kann, zeigt der ausgefallene „Tulpenleuchter“, der von der renommierten Firma Peter Bruckmann & Söhne um 1900 geschaffen wurde. Der geschwungene Teller besitzt eine Handhabe in Form eines Tulpenblattes, die Kerzentülle zeigt die Blüte, die kurz vor dem Öffnen steht. Links daneben sehen Sie zwei Blütenschalen – eine Mohnblüte und eine Narzisse, zwei Entwürfe aus der berühmten Serie „Natura“ von Gianmaria Buccellati um 1970/80. Buccellati, Silberfirma und Juwelier, 1919 in Mailand gegründet, gehört zu den schillerndsten Namen in der Elite der internationalen Silber- und Schmuckindustrie, geliebt von Prominenz, Stars und Jetsettern rund um den Globus.
In der Jugendstilepoche entstanden bedeutende, florale Besteckmuster. Designs wie die „Bremer Lilie“, ein Entwurf des Bildhauers Hugo Leven für die Manufaktur Wilkens oder die plastischen Fuchsien auf einer Besteckserie der Vereinigten Silberwaren aus Düsseldorf. Ein wenig kurios ist das von dem Maler und Architekten Heinrich Vogeler entworfene und von Wilkens produzierte Besteck, das unter dem offiziellen Namen „Margeritenmuster“ weit über Deutschlands Grenzen berühmt wurde. In Wahrheit zeigt die Darstellung keine Blumen, sondern Äpfel mit kreisförmig umlaufenden Blättern. Wer genau hinsieht, entdeckt den Baumstamm, der am Besteckstiel emporwächst. Die Fehlbezeichnung, die sich schnell einbürgerte, ist wohl auf Grund der hohen Stilisierung des Motives entstanden. Das Besteck wird heute noch von Wilkens in Bremen produziert, Neuwert einer Tafelgabel 450 Euro. Das besonders aparte Fischbesteck, wie Sie es jetzt im Warenangebot finden, ist nur noch, und das höchst selten, antiquarisch zu bekommen. Eine farbenfrohe Blumensprache finden wir bei den russischen Cloisonné-Löffeln, die in bunten Emailfarben auf die Löffel „gemalt“ sind.
Blumen waren früher begehrte Statussymbole und, es ist noch nicht lange her, Schnittblumen ein Luxusgut, was nicht zuletzt an Ihrer Vergänglichkeit liegt. Nach 5 Tagen ist die schöne Pracht dahin. Allein die Deutschen geben 9 Milliarden Euro für Pflanzen und Blumen jedes Jahr aus. Ein Großteil davon für Schnittblumen. Um 1630 hatte eine! Tulpe den Wert eines ganzen Hauses, heute kostet ein Zehnerpack 2,99 Euro beim Discounter. Weder das eine, noch das andere ist gerechtfertigt. Die Niederländer haben bis heute ein wichtiges Monopol beim Blumenhandel. In Aalsmeer bei Amsterdam, wo 1911 die erste Blumenversteigerung stattfand, werden heute noch an jeden Wochentag 43 Millionen Blumen verkauft. Viele davon kommen aus Kolumbien und aus Kenia. Meist unter Bedingungen produziert, die weder Umwelt, noch Klima, noch Menschen freundlich sind. Billigware, ob nun Kleidung, Lebensmittel oder Blumen hat einen hohen Preis – für die anderen. Zeit zum Umdenken. Die Wahrnehmung unserer Natur ändert sich durch das Wissen um ihre Fragilität und Unverzichtbarkeit. Ich brauche im Januar weder Erdbeeren, noch Rosen – die einen schmecken nicht, die anderen durften nicht. Immer mehr Menschen achten bei Obst und Gemüse auf Saisonales und Regionales. Das geht auch bei Blumen.
Langlebig, nachhaltig und (.. sorry, das muss jetzt sein) klimaneutral sind die Blumen aus Silber. Kostbare „Dauerblüher“, die Woche für Woche, Jahr für Jahr Schönheit und Freude ins Haus bringen. Flowers forever! Lassen Sie sich verführen.
Der Katalog zur Ausstellung FLOWERS FOREVER - Blumen in Kunst und Kultur wurde herausgegeben von Roger Diederen
und Franziska Stöhr, ist bei Prestel erschienen und für 45,- Euro in vielen Buchläden erhältlich oder zu bestellen.
Die sehenswerte Ausstellung wird noch bis zum 27. August 2023 in der Kunsthalle München gezeigt.